Reclaiming Peace - Freiheit und Sicherheit in einer fragmentierten Welt
Shownotes
Was bedeutet Frieden in einer fragmentierten Welt? Und wie kann man ihn zurückgewinnen?
Zitat der Folge
»Angst zu haben und nichts zu tun heißt im Grunde den Krieg einzuladen. Und damit erlaubt man autoritären Führern, starke militärische, sicherheitspolitische, wirtschaftliche und diplomatische Allianzen aufzubauen.«
Olha Aivazovska, Friedens-Aktivistin, International Center for Ukrainian Victory
Episodenbeschreibung
Frieden heißt heute nicht mehr nur, dass die Waffen schweigen. In autoritären Regimen kann Frieden auch bedeutet, dass sich einfach niemand auflehnt. Auch Kriege werden nicht mehr ausschließlich durch das Militär geführt, sondern mit Desinformationskampagnen, über wirtschaftliche Erpressung und Verunsicherung, z.B. durch den Einsatz von Spionage-Drohnen. Wie könne sich demokratische Staaten dagegen wappnen? Wie können sie resilienter werden und gleichzeitig Vorkehrungen schaffen? Bei der 25. Außenpolitischen Jahrestagung der Heinrich-Böll-Stiftungen kamen internationale Experten u.a. aus der Ukraine, aus Japan, Sudan, Senegal, Finnland und Deutschland zu Wort.
Kapitel mit Zeitmarkierungen
• (00:00:01) – Intro & Hintergründe: Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg, die Illusion der Sicherheit und die zentrale Frage: Was bedeutet Frieden heute?
• (00:03:04) – Ukrainische Perspektiven auf Frieden und Krieg: Pavlo Klimkin und Olha Aivasovska über die Realität des hybriden Krieges, Resilienz und den Fehler der Passivität in Europa
• (00:10:15) – Globale Ansichten – Taiwan, Brasilien & Afrika: Stimmen aus Taiwan, Brasilien und Senegal zu Bedrohungen der Demokratie, Resilienz, Bildung und Entwicklungshilfe statt Aufrüstung
• (00:14:08) – Europäische Antworten und Strategien: Franziska Brandners Forderungen für ein stärkeres und unabhängigeres Europa, Allianzen, Integration und kritische Infrastruktur
• (00:19:05) – Hybride Bedrohungen & Gesellschaftliche Widerstandskraft: Drohnen, Cyberangriffe und Desinformation, die Rolle der Medienkompetenz und strategischen Vorausschau
• (00:29:32) – Abrüstung, globale Verantwortung und Fazit: UN-Ansätze für Abrüstung, Investitionen in Bildung und Soziales, der Blick auf Afrika und der Zusammenhang von weltweiter Sicherheit und Frieden
Unsere Expert*innen
Pavlo Klimkin • Früherer Außenminister der Ukraine.
Olha Aivazovska • Friedensaktivistin, International Center for Ukrainian Victory.
Agnieszka Brugger • Stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
Gustavo da Cunha Westmann • Sonderberater für internationale Angelegenheiten im Generalsekretariat der Präsidentschaft Brasiliens.
Marcin Jerzewski • Leiter des Taiwan Office des European Values Center for Security Policy.
Franziska Brantner • Co-Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
Akira Igata • Economic Security Intelligence Lab (ESIL) am RCAST, University of Tokyo.
Maxime Lebrun • European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats.
Sara Nanni • Sicherheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen.
Beverly Ochieng • Center for Strategic and International Studies.
Izumi Nakamitsu • UN-Untergeneralsekretärin für Abrüstungsfragen.
Murithi Mutiga • International Crisis Group.
Weiterführende Artikel und Quellen
• Zusammenfassung und Download-Link zum UN-Report „The Security We Need“: [🔗 https://www.undp.org/press-releases/record-military-spending-threatens-global-peace-and-development-new-un-report-warns]
• Infos zum „Zentrum für Strategische Vorausschau“: [🔗 https://www.gruene-bundestag.de/wir-im-bundestag/unsere-fraktion/unsere-zukunftsideen/zentrum-fuer-strategische-vorausschau/]
Hintergründe auf boell.de
• Dossier zur 25. Außenpolitischen Jahrestagung mit Video-Mitschnitten: [🔗 https://www.boell.de/de/25-aussenpolitische-jahrestagung]
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Grafik: Gianluca Costantini, alle Rechte vorbehalten. Bearbeitung: hbs
Transkript anzeigen
00:00:02:
00:00:08: Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich Europa in einer falschen Sicherheit gewiegt, weil man Frieden erreicht hatte.
00:00:14: Es ist wichtig, Kriege zu fürchten.
00:00:16: Wir sind schließlich Menschen.
00:00:17: Aber Angst zu haben und nichts zu tun, heißt im Grunde, den Krieg einzuladen.
00:00:21: Und damit erlaubt man autoritären Führern, starke militärische, sicherheitspolitische, wirtschaftliche und diplomatische Allianzen aufzubauen.
00:00:34: Sie ist Friedensaktivistin aus der Ukraine und sie war eine der ExpertInnen bei der fünfundzwanzigsten außenpolitischen Jahrestagung in der Heinrich-Böll-Stiftung.
00:00:44: Der Titel der Konferenz hieß Reclaiming Peace.
00:00:48: Freiheit und Sicherheit in einer fragmentierten Welt.
00:00:52: Darum soll es in diesen Bell-Podcast heute gehen.
00:00:56: Ich bin euer Horst Wokastomaszewski.
00:00:58: Hallo!
00:01:07: Wir leben in einer Welt der multiplen Krisen, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Krieg im Gasastreifen, außerdem weitere Kriege beispielsweise im Sudan und in der demokratischen Republik Kongo.
00:01:21: Immer mehr Menschen fordern immer lauter.
00:01:24: Frieden.
00:01:25: Und das aus allen politischen Richtungen.
00:01:28: Aber meinen die unterschiedlichen Akteure auch dasselbe, wenn sie von Frieden sprechen?
00:01:34: Unter anderem mit dieser Frage hat sich die fünfundzwanzigste außenpolitische Jahrestagung in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin beschäftigt.
00:01:44: Meine Kollegin Bettina Ritter vom Audio-Kollektiv war bei der Jahrestagung mit dabei.
00:01:50: Hallo Bettina.
00:01:51: Hallo Lukas.
00:01:53: Bettina, Reclaiming Peace, also den Frieden zurückgewinnen oder auch zurück fordern.
00:01:59: Was war damit genau gemeint?
00:02:02: Ja, mit Frieden war auf jeden Fall nicht immer ein und dasselbe gemeint.
00:02:07: Das wurde schnell klar.
00:02:09: Das Podium war international besetzt und es kam immer darauf an, wer da sprach.
00:02:14: Also ob das jemand aus der Ukraine war, aus Taiwan, aus Brasilien, aus Kenia oder aus Berlin.
00:02:21: Den Auftakt machte der früherer Außenminister der Ukraine, Pavlo Klimkin, mit seinen Beobachtungen zum Thema Frieden aus ukrainischer Sicht.
00:02:31: Und das klang dann erst einmal so.
00:02:39: Wir, Ukraine, wir können nicht dieselbe Emotionen haben wie alle anderen.
00:02:43: Wir haben so eine Art, wie nähere Mentalität, wenn man so will.
00:02:47: Für uns geht es ums Ja oder Nein, für uns geht es ums Sieg oder Nährlage.
00:02:51: Man kann sagen, okay, Leute, das ist vielleicht so einfach, so kann man das Leben doch nicht sehen.
00:02:55: Aber genauso leben wir.
00:02:57: Im Krieg leben wir genau auf diese Weise.
00:03:04: Klimkin wollte also klarmachen, dass für die Ukraine Frieden erst einmal Überleben bedeutet.
00:03:11: Gleichzeitig warnte er davor, Frieden auf Deals zu reduzieren.
00:03:17: Das ist nicht nachhaltig und es ist auch nicht gerecht.
00:03:20: Man kann vielleicht eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand treffen, aber irgendwann kommt man dadurch in noch größere Schwierigkeiten.
00:03:27: Das ist meine Erfahrung nach fast dreißig Jahren in der Diplomatie und vielen Jahren in der
00:03:34: Politik.
00:03:35: Das finde ich interessant, weil es gibt ja diese Versuchung, einfach zu sagen, Hauptsache die Waffen schweigen.
00:03:42: Genau.
00:03:43: Und das wäre trügerisch, denn man will ja nicht irgendeinen Frieden.
00:03:47: Es gibt ja auch eine Art Frieden in autoritär regierten Ländern.
00:03:52: Einfach, weil sich niemand gegen die Führung auflehnt.
00:03:55: Ein sogenannter Friedhofsfrieden.
00:03:57: Eine Ruhe, die auf Unterdrückung basiert.
00:04:00: Aber hier ging es schon um einen Frieden in Freiheit.
00:04:03: Das war das Verständnis von Frieden bei dieser Tagung.
00:04:07: Klimkin hat da noch grundsätzlicher gesprochen und hat versucht, dieser Verständnis von Krieg und Frieden zu weiten.
00:04:15: Wir in Europa, würde ich sagen, denken oder dachten bis zum Großangriff Russlands auf die Ukraine, dass Frieden vor allem die Abwesenheit von Krieg ist.
00:04:25: Aber diese Definition ist inzwischen zu einfach, meint Klim Kinn.
00:04:40: Ich glaube, wir leben jetzt in so einer Art Hybride-Realität.
00:04:43: Es ist eine hybride Welt, multilateral, multipolar, multi-geordnet, vielleicht noch irgendwas anderes.
00:04:50: Aber fragt euch mal, wenn ihr in einer hybriden Welt klebt, ist dann ein Hybride-Krieg etwas Einmaliges oder ist es die neue Normalität?
00:04:58: Und im Moment sieht es so aus, als wäre es die neue Normalität.
00:05:02: Und vielleicht sollte ein Hybriderfrieden unser Traum sein in dieser anderen Welt.
00:05:15: Was meint Klimkin mit hybriden Krieg?
00:05:19: Hybriderkrieg meint die Kombination aus verschiedenen Formen des Angriffs, militärische und nicht militärische, beispielsweise Angriffe auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt, zum Beispiel durch Desinformationskampagnen, oft auch über Social Media, aber auch indem man die staatliche Ordnung und die Infrastruktur attackiert.
00:05:40: Klimpkin hat vor diesem Hintergrund daran erinnert, dass Russland schon im Jahr three angefangen hat, die Ukraine unter Druck zu setzen.
00:05:49: Damals wollte Russland der Ukraine einen sogenannten einheitlichen Wirtschaftsraum aufzwingen.
00:05:55: Das hätte eine grundlegende Abhängigkeit der ukrainischen Wirtschaft von Moskau bedeutet.
00:06:00: Aber auch alle Arten von kritischer Infrastruktur einschließlich Gas dran seht.
00:06:05: Damals konnte die Ukraine diesen Versuch abwehren.
00:06:09: Das kann man ja durchaus auch als eine Art Angriff auf den Frieden sehen.
00:06:14: Ich stelle es mir als gar nicht so einfach vor, darauf angemessen zu reagieren.
00:06:18: Hatte Klimkin da eine Idee oder Lösungen?
00:06:23: Ja, wie es im Fall der Ukraine weitergegangen ist, ist ja leider bekannt.
00:06:27: Da hat Russland immer weiter provoziert, dann ja auch militärisch, mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dann mit dem Großangriff auf die Ukraine.
00:06:40: Und dann sind dann endlich auch die Europäer aufgewacht und haben realisiert, dass es Russlands Machthaber Putin ernst ist.
00:06:48: Wie eben gehört, hat der früherer Außenminister der Ukraine gesagt, wenn der hybride Krieg die neue Normalität ist, dann ist für ihn eine Art hybrider Frieden die Lösung.
00:07:00: Dazu nannte er zwei Schlüsselbegriffe, Resilienz und Deterrence, also Widerstandsfähigkeit und Abschreckung.
00:07:09: Und erstellte Europa bei Beidem ein schlechtes Zeugnis aus.
00:07:20: Menschen, Politiker, Institutionen, aber auch Unternehmen, sie alle reagieren.
00:07:25: Im Grunde nur.
00:07:26: Sie kommen nicht mit eigenen, vorausschauenden Ideen.
00:07:28: Sie bringen keine Vorstellungen davon ein, was Resilienz wirklich bedeutet.
00:07:33: Aber die Frage ist doch, soll europäische Resilienz bedeuten, dass wir uns nicht nur vorbereiten, sondern auch Fähigkeiten aufbauen, auch mal... Zurückzuschlagen?
00:07:42: Wenn man resilient ist, ist man vorbereitet.
00:07:45: Und wenn man vorbereitet ist, dann auch mental.
00:07:47: Und jeder hier versteht dann, welche Rolle er oder sie in Zukunft
00:07:51: hat.
00:07:52: Und da sind wir nicht.
00:07:53: Gar nicht.
00:07:57: Und dasselbe, also Inaktivität warf Klimkin Europa auch bei der Abschreckung vor.
00:08:04: Er sagte, er wundere sich, warum Europa zögere Raketenabwehrsysteme zu produzieren.
00:08:10: Europa rede über Werte, aber scheitere an Strukturen.
00:08:13: Und das mache ihm große Sorgen.
00:08:16: Das sind ja deutliche Worte Richtung Europa.
00:08:19: Blieb der Ton auch weiter so kritisch?
00:08:22: Ja, erst mal schon.
00:08:23: Die Ukrainerin Olha Iwasovska äußerte sich ganz ähnlich.
00:08:28: Sie ist Aktivistin, Mitbegründerin der NGO International Center for Ukrainian Victory und ist erfahren in Friedensverhandlungen.
00:08:43: Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich Europa in einer falschen Sicherheit gewiegt, weil man Frieden erreicht hatte.
00:08:49: Es ist wichtig, Kriege zu fürchten.
00:08:51: Wir sind schließlich Menschen.
00:08:52: Aber Angst zu haben und nichts zu tun, heißt im Grunde, den Krieg einzuladen.
00:08:56: Und damit erlaubt man autoritären Führern, starke militärische, sicherheitspolitische, wirtschaftliche und diplomatische Allianzen aufzubauen.
00:09:06: Ihr Statement war vor allem kämpfen.
00:09:09: Man muss wirklich für den Frieden kämpfen.
00:09:12: Und das muss sich auch Europa bewusst machen.
00:09:15: In eine ähnliche Richtung äußerte sich Agnieszka Brugger.
00:09:18: Sie ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis Neunzig, die Grünen.
00:09:23: Und sie warnte davor, nichts zu tun.
00:09:26: Sie kritisierte, dass das ein Fehler sei, den vor allem Deutschland mache.
00:09:31: Zu denken, dass man nichts riskiere, wenn man nichts tue.
00:09:34: Und sie hatte eine sehr klare Message.
00:09:45: Man darf den Tyrannen nie gewinnen lassen.
00:09:48: Ich glaube, das ist ein guter Begriff, um diese feindseligen Akteure zu beschreiben.
00:09:52: Das sind ja nicht nur Großmächte oder böse Jungs.
00:09:55: Das sind Tyrannen, Bullis.
00:09:57: Und wenn wir über die Mentalität in Deutschland reden, und damit meine ich vor allem die Debatte im politischen Berlin, ich glaube, der Hauptfehler, den viele machen, ist zu glauben, könne den Frieden bewahren, wenn ein brutaler, imperialistischer Tyrann ihn zerstören will.
00:10:12: Das geht nicht.
00:10:13: Wenn man wegschaut, verliert man.
00:10:21: Interessant fand ich dann, wie unterschiedlich dieser Kampf um Frieden, je nachdem, woher jemand kam, interpretiert wird.
00:10:28: Da war z.B.
00:10:29: Marcin Jephsky.
00:10:31: Er leitet das Büro des Europäischen Zentrums für Sicherheitspolitik in Taiwan.
00:10:36: Das Land wird ja durch China bedroht und viele fürchten, dass China ähnlich mit Taiwan umgehen könnte wie Russland mit der Ukraine.
00:10:44: Marchin plädierte vor allem dafür, sich der Bedrohung mit Resilienz entgegenzustellen.
00:10:50: und die Zivilgesellschaft zu stärken.
00:10:55: Ich
00:10:55: glaube, dass die wahren Voraussetzungen, um Frieden und Freiheit in Taiwan zu sichern, nicht in der Rüstungsindustrie liegen, sondern darin, den Fortschritt zu bewahren, den wir bei der Öffnung und Aufrechterhaltung eines freien zivilgesellschaftlichen Raums gemacht
00:11:09: haben.
00:11:11: Es war schon bemerkenswert, während in Europa viele über Aufrüstung reden, sprach er von Bildung, Inklusion und Vielfalt als Verteidigungsinstrumenten.
00:11:22: Taiwan habe gelernt, wie man Desinformation, Druck und Angst aushält und sich wappnet für psychologische Kriegsführung und den Krieg um die öffentliche Meinung und durch das Justizsystem.
00:11:38: Deshalb könnten Dinge wie Medienkompetenz, starke Antidiskriminierungsgesetze, der Schutz der Institutionen, die diese Maßnahmen umsetzen und inklusive Entwicklungspolitiken, einige der stärksten Waffen sein, um Frieden und Freiheit im thaiwanischen Kontext zu sichern.
00:11:56: Gab es noch andere Perspektiven außerhalb von Europa auf den Frieden?
00:12:01: Ja, der Brasilianer Gustavo da Cunha Westmann.
00:12:05: Er arbeitet als Sonderberater für internationale Angelegenheiten im Generalsekretariat der Präsidentschaft Brasiliens.
00:12:13: Und er sagte Folgendes.
00:12:19: Brasilien steht unter Beschuss, aber ist eine andere Art von Angriff.
00:12:23: Wir reden hier nicht von Krieg.
00:12:25: Zum Glück ist Brasilien oder eigentlich ganz Südamerika ein ziemlich sicherer Kontinent.
00:12:30: Aber trotzdem hat Brasilien beschlossen Widerstand zu leisten und seine Demokratie zu verteidigen.
00:12:35: Das ist eine Botschaft.
00:12:37: Jeder versucht sich in unsere innere Angelegenheiten einzumischen.
00:12:40: Und das kommt meistens wie im Falle Brasiliens von der extremen Rechten wird nicht toleriert.
00:12:49: Auch er sagte, vor allem Aufklärung über Desinformationskampagnen sei wichtig.
00:12:55: Und er betonte, Brasilien investiere nicht in militärische Aufrüstung wie Europa, sondern in Entwicklungshilfe.
00:13:02: Denn das sei viel wirkungsvoller, wenn man Kriege verhindern und den Frieden einhalten wolle.
00:13:08: Das sind eine ziemlich interessante Perspektive, wie ich finde, und wirklich auch ganz anders als Europas Strategie.
00:13:15: Also es wird schon klar, dass der Frieden in manchen Ländern nicht nur durch eine äußere Kraft bedroht ist, sondern eben durch Feinde der Demokratie im Inneren, zum Beispiel rechte Parteien, die antidemokratische Ziele verfolgen.
00:13:31: Das wurde noch mal mehr deutlich auf dem zweiten Panel.
00:13:35: Da ging es nämlich darum, wie man hybride Angriffe auch im Innern abwert.
00:13:40: Da gab es sehr interessante Stimmen, vor allem auch aus Japan und Afrika.
00:13:44: Da komme ich gleich noch drauf.
00:13:46: Zuerst aber Sprach Franziska Brandner.
00:13:49: Das ist die Co-Vorsitzende von Bündnis Neunzig, die Grün.
00:13:53: Sie versuchte, die Kritik an Europa zu beantworten, die geäußert wurde.
00:13:58: In ihrer Rede brachte sie fünf Vorschläge, was Europa aus grüner Sicht jetzt machen muss, um den neuen Anforderungen an Frieden in Freiheit gerecht zu werden.
00:14:11: Aber, und da möchte ich ganz klar sein, in einem gemeinsamen Handel mit unseren weltweiten Kooperationspartnern Australien, Japan, Südkorea, aber eben auch Brasilien, Indien, Südafrika und ja
00:14:24: auch
00:14:24: China.
00:14:26: Wir müssen anfangen Klartext zu sprechen und ich finde, dass aus unserem Wortgebrauch das Wort EU, USA, Deal gestrichen werden sollte.
00:14:38: Weil dieses Ergebnis, was Frau von der Leyen und Trump dort erreicht haben, ist ja nicht ein Deal, sondern das ist das Ergebnis einer Erpressung.
00:14:49: Da hat Brandner noch mal den sogenannten Deal der EU mit US-Präsident Donald Trump vom Juli-Wundzwanzig kritisiert damals.
00:15:00: Hatten sich die beiden ja sogar einig, dass die EU-Fünfzehn-Zölle auf die meisten Produkte zahlt, die sie in die USA exportiert, um eben höhere Strafzölle zu verhindern?
00:15:13: Ja, aber vor allem war Brandners Punkt, dass die EU mit neuen Ländern und Staatenallianzen schmieden soll und sich auch unabhängiger machen muss, wenn es um Digitalisierung und Rohstoffe geht.
00:15:26: Da kritisierte Brandner die viel zu starke Abhängigkeit von den bei der Digitalisierung bzw.
00:15:32: von China bei den Rohstoffen.
00:15:35: Sie kamen dann in einem zweiten Punkt auf den Krieg im Gasastreifen.
00:15:40: Da forderte sie eine echte europäische Außenpolitik aus einem Guss mit ganz Europa für Frieden und Sicherheit für Israel und Palästina.
00:15:51: Sie forderte, dass Europa eine zwei Staatenlösung voranbringen muss.
00:15:56: Und sie kritisierte die Einstimmigkeit, die bei europäischen Entscheidungen im internationalen Bereich vorherrschen muss.
00:16:03: Sie sagte, damit blockiert die EU nicht nur sich selbst, sondern auch andere Länder.
00:16:09: Ihrer Meinung nach braucht es mehr Integration.
00:16:12: Sie sprach davon, dass die EU eigentlich Großbritannien und Norwegen braucht, um die europäische Sicherheit voranzubringen.
00:16:20: Wir müssen rauskommen aus der Einstimmigkeit.
00:16:23: Wir müssen die Länder einbinden, die relevant sind in der Realität für europäischen Frieden bei uns.
00:16:31: Und das ermöglicht weder die NATO aktuell noch die EU alleine, sondern, meiner Meinung nach, brauchen wir da neue Gesprächskanäle.
00:16:39: Uns kann nicht sein, dass es immer nur die großen drei sind, Frankreich, Großbritannien und Deutschland.
00:16:44: Auf Dauer brauchen wir eben auch Polen, wir brauchen die Spanier und diese Länder mit einzubeziehen.
00:16:51: Wir brauchen auch eine Vertretung der Kleineren.
00:16:53: Scheint mehr nötig, auch hier um ehrlich, gemeinsam als Europäer vorankommen zu können.
00:16:59: Als vierten Punkt nannte sie die Aufstockung der Entwicklungsarbeit und der humanitären Hilfe.
00:17:05: Das hatte ja schon jemand auf dem Panel davor gesagt.
00:17:09: Ja, das waren Gustavo da Cunha Westmann aus Brasilien und Marcinje Jeffsky aus Taiwan.
00:17:16: Der hatte erklärt, dass Entwicklungsarbeit nach Ansicht Taiwan das effektivste Mittel ist, um Kriegel zu verhindern und Frieden zu erhalten und dass das Land deshalb in Entwicklungsarbeit investiert.
00:17:31: Und sie kam noch mal auf die Ukraine.
00:17:33: Brandner forderte, dass die deutsche Unterstützung für das Land nicht gekürzt wird.
00:17:39: Und sie schlug dann den Bogen der russischen Bedrohung von der Ukraine nach Deutschland.
00:17:43: Und auch hier müssen wir stärker Klartext reden, wenn es um Drohnen geht, wenn es um Sabotage geht, dass der Hybridekrieg eben stattfindet.
00:17:53: dass er heute läuft, wenn sich eine Deutschlandkarte nehmen würden und einfach alle einzelnen Inzidenz drauf malen würden in den letzten Jahren, wäre die Karte ziemlich voll.
00:18:04: Im September und Oktober haben sich ja diese Inzidenz eher stärker als zuvor gehäuft.
00:18:11: Man decke nur an die Luftraumverletzungen und Drohnsichtungen in Polen, in Rumänien, Dänemark, Norwegen und auch in Deutschland.
00:18:20: Aber auch provokante manöver russischer Kampfjets zum Beispiel über den Baltikum.
00:18:26: Zum Beispiel hatten auch Drohnen den Flugbetrieb am Münchner Flughafen lahm gelegt.
00:18:32: Diese Zwischenfälle verursachen inzwischen ernste wirtschaftliche Schäden.
00:18:37: Und auch am Berliner Flughafen kam es ja zur Störung.
00:18:41: Russland hat die Verantwortung zwar wie immer zurückgewiesen, aber in Minister Dobrindt, der halt seither angekündigt, ein sogenanntes Drohnenabwehrzentrum ins Leben zu rufen.
00:18:53: Außerdem will er das Luft-Sicherheitsgesetz verändern, damit die Bundeswehr der Bundespolizei im Inneren Amtshil verleisten kann.
00:19:01: Zum Beispiel bei der Abwehr von Drohnen.
00:19:05: Genau, diese Drohnenbedrohungen gehören zur hübrigen Kriegsführung.
00:19:10: Einer, der dazu forscht, ist Maxime Lebrun.
00:19:13: Er ist Wissenschaftler am Europäischen Kompetenzzentrum zur Bekämpfung hübrider Bedrohungen in Helsinki.
00:19:21: Er wiederholte etwas, was wir bereits gehört haben, nämlich, dass sich hübrider Aktion dadurch auszeichnen, dass sie andere Mittel benutzen als brutale militärische Macht.
00:19:33: Aber er sagte auch das noch hier.
00:19:38: Ich würde hinzufügen, dass es bei Hybriden Bedrohungen immer auch ein Element der Überraschung gibt.
00:19:43: Die Idee dahinter ist, den Gegner zu überraschen, es ihm schwer zu machen, eine Antwort zu finden, die Situation richtig zu beschreiben, zu verstehen, was eigentlich passiert und die Zusammenhänge zu erkennen.
00:19:54: Das haben wir ja an den Drohnen-Aktivitäten in Dänemark und in Deutschland gesehen.
00:20:03: Man konnte nicht zweifelsfrei bestimmen.
00:20:06: Wer hat sie eigentlich geschickt und was ist der Grund und auch das Ziel?
00:20:11: Das hat ja erstmal für sehr viel Verwirrung und auch sehr viel Unsicherheit gesorgt.
00:20:16: Ja, und das ist auch die Funktion von solchen Aktivitäten.
00:20:20: Die Bürgerinnen und Bürger fragen sich natürlich, warum erlauben unsere Politikerinnen und Politiker das überhaupt, dass da Drohnen wahrscheinlich aus Russland über Polen fliegen und damit den Luftraum der NATO verletzen?
00:20:33: Was die Ziele solcher Angriffe sind, dazu, sagte Maxime LeBron, Folgendes.
00:20:43: Wer auch immer diese Drohnen fliegt, will herausfinden, wie wir reagieren, wie schnell wir handeln, ob es Spaltungen in unseren Gesellschaften gibt, wie die Bevölkerung auf die Kommunikation der Regierung reagiert.
00:20:54: Aber ich denke auch, dass es darum geht, Macht zu demonstrieren.
00:20:57: Überproportional zu der tatsächlichen Stärke.
00:21:00: Und wenn dahinter ein Staat steht, ist das auch mit einer Art Diplomatie des Terrors verbunden.
00:21:05: Also dem Versuch, unsere öffentliche Meinung und unsere Regierung einzuschüchtern und uns schwach aussehen zu lassen.
00:21:16: Aber Drohnen sind ja bei Weitem nicht die einzigen Mittel hier Brüder Kriegsführungen.
00:21:21: Hier fallen da noch zum Beispiel Anschläge auf Infrastruktur ein.
00:21:25: Damit hatte Deutschland ja im Spätsommer und im Herbst auch zu tun.
00:21:29: Außerdem Anschläge auf Stromnetze, Brandanschläge auf Bahnstrecken, Cyberangriffe auf Abfertigungssystemen von Flughäfen.
00:21:37: Kam das Ganze auch zur Sprache?
00:21:39: Ja, Maxim nannte ganze dreizehn verschiedene Felder, auf denen solche Aktivitäten hybrider Kriegsführung stattfinden.
00:21:48: Er sprach von der Weaponization of everything, also der Instrumentalisierung fast aller Lebensbereiche.
00:21:57: Dazu gehören beispielsweise gezielte Desinformationskampagnen, Einflussnahme auf den Kulturbetrieb, Cyberattacken und wirtschaftliche Erpressung.
00:22:08: Ein spannender Punkt kam aus Japan.
00:22:11: Akiraigata ist Dozent an der Universität Tokyo am Forschungszentrum für fortgeschrittene Wissenschaft und Technologie.
00:22:20: Er hat erklärt, warum wirtschaftliche Unabhängigkeit in Japan als wesentliche Komponente der Sicherheitspolitik gilt.
00:22:32: Wir haben viel über Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit und Fairness gesprochen.
00:22:37: Damit wir überhaupt den Spielraum haben, um Entscheidungen zu treffen und die Werte zu verteidigen, die uns wichtig sind oder auch unsere strategischen Interessen zu schützen, müssen Unternehmen wirklich darauf achten, dass sie wirtschaftlich unabhängig von ausländischem Einfluss bleiben.
00:22:51: Genau deshalb arbeitet Japan an Strategien für wirtschaftliche Sicherheit.
00:23:00: Und welche sind das?
00:23:01: Zum Beispiel hat Japan vor etwa sieben Jahren angefangen, nicht nur in China seltene Erden und Rohstoffe einzukaufen, sondern auch von anderen Produzenten.
00:23:12: Dasselbe gilt für Computerchips und Batterien.
00:23:16: Auch von den USA macht sich das Land unabhängiger.
00:23:19: In Japan gibt es sogar eine eigene Behörde.
00:23:22: Die arbeitet zum einen mit Thinktanks zusammen und macht sich deren Erkenntnisse und Innovationen zu Nutze und zum anderen vernetzt sie Ministerien und Unternehmen.
00:23:34: So lernen die Ministerien, was die Bedarfe der Firmen sind und wie sie ihnen helfen können, unabhängiger zu werden.
00:23:41: Oft geschieht das dann auch über Subvention.
00:23:44: Das
00:23:44: ist ja ein Modell, von dem auch Europa lernen könnte.
00:23:47: Ja, da gibt es Anknüpfungspunkte für Europa und auf die komme ich später nochmal.
00:23:53: Erst will ich noch eine andere Stimme vom afrikanischen Kontinent zu Wort kommen lassen, und zwar von Beverly Ocheng aus Dakar Senegal.
00:24:02: Sie ist Wissenschaftlerin und Analystin im Afrika-Programm des Center for Strategic and International Studies und bei der Beratung Control Risks.
00:24:14: Sie hat viel geforscht zu den Auswirkungen von Technologie und Zensur auf die Medienlandschaft in Afrika.
00:24:21: Und sie berichtete von zunehmenden anti-westlichen Ressentiments.
00:24:26: Das geht von Influencern mit Millionen Follower schafft bis hin zu Männern, die sich freiwillig als Kämpfer für Russland im Krieg gegen die Ukraine melden.
00:24:36: Dabei kritisierte sie den westlichen Blick auf diese Vorgänge auf dem afrikanischen Kontinent.
00:24:48: Aber das liegt nicht unbedingt daran, dass diese Leute von Russland beeinflusst werden.
00:24:52: Manchmal übertreiben wir da ein bisschen, wenn wir Russlands Einfluss in der Region sehen.
00:24:56: Ja, sie nutzen Dinge, die schon da sind.
00:24:58: Antiwestliche Stimmung, das scheitern westlicher Militärintervention, erst durch Frankreich, dann durch die EU.
00:25:05: Russland treibt das nicht an.
00:25:06: Sie nutzen es einfach.
00:25:07: Sie nehmen das als Vehikel, um zu zeigen, wir können den Krieg in der Ukraine verschärfen und gleichzeitig andere Partner in der Region verdrängt.
00:25:23: Ocheng warnte davor, afrikanische Länder nur als Spielfeld fremder Mächte zu sehen.
00:25:29: Es gibt dort eine starke eigene Dynamik.
00:25:32: Etwa zivilgesellschaftliche Gruppen, die gegen Desinformationen arbeiten.
00:25:37: Sie sprach auch davon, dass Vertrauen und Authentizität entscheidend sind.
00:25:43: Menschen glauben dem, was aus ihrer eigenen Sprache kommt, also ihrem eigenen Umfeld kommt.
00:25:48: Ja, in Deutschland wird das Thema ja oft erst diskutiert, wenn schon wirklich etwas passiert ist.
00:25:53: Das heißt, jetzt ein Cyberangriff oder auch eine Drohne über militärischem Gelände.
00:25:59: Gab es auch Stimmen aus der deutschen Politik?
00:26:02: Ja, die sicherheitspolitische Sprecherin vom Bündnis Neunzig, die Grünen Sarah Nani, war online zugeschaltet.
00:26:10: Sie betonte, dass es bereits seit Jahrzehntausendzwanzig Überflüge über Militäreinrichtungen gibt.
00:26:17: und Spionage vor Rüstungsstandorten.
00:26:20: Nani forderte die Politikerinnen und Politiker in Deutschland auf, die Gefahrenlage klarer zu kommunizieren.
00:26:28: Letztlich, damit die Bevölkerung besser informiert ist und somit resilienter wird, zum Beispiel gegen Desinformation.
00:26:36: Leider haben wir immer noch in Deutschland eine sehr zurückhaltende Kommunikation.
00:26:42: Wir teilen wenig der nachrichtendienstliche Erkenntnisse, die wir haben.
00:26:48: Über die Motive von Russland teilen wir mit unserer Bevölkerung.
00:26:52: Das macht Großbritannien zum Beispiel anders.
00:26:56: Und ich würde mir sehr wünschen, dass wir da auch in eine andere Kommunikation kommen über das, was wir schon wissen.
00:27:04: Saranani fordert also mehr Offenheit, und das Deutschland endlich lernt, Bedrohungen klar zu benennen.
00:27:13: Die Grünen haben ja auch die Idee für ein Zentrum für strategische Vorausschau in den Diskurs gebracht.
00:27:20: Das wäre ja eine Möglichkeit Antwort auf solche hybriden Bedrohungslagen.
00:27:26: Ist das eigentlich noch aktuell?
00:27:29: Ja, mit so einem Zentrum sollen Risiken für die Sicherheit in allen Bereichen früher erkannt werden.
00:27:37: Und so wollen die Grünen die Demokratie handlungsfähiger machen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft sichern.
00:27:44: Das ist ja jetzt womöglich erstmal in die Ferne gerückt, weil die Grünen nicht mehr an der Regierung beteiligt sind.
00:27:51: Allerdings rechnet Sarah Nanni damit, dass die strategische Vorausschau natürlich auch beim Nationalen Sicherheitsrat eine Rolle spielen wird.
00:28:00: Und ein Punkt war ihr besonders wichtig.
00:28:02: Egal in welchem Gremium, ob das nun Nationaler Sicherheitsrat oder anders heißt, das Mindset der Verantwortlichen muss sich ändern und zwar schnell.
00:28:12: Wenn die Politik, die am Ende die Entscheidungen treffen muss und vorbereiten muss, sich auf diese Bandbreite der Drohung innerlich nicht einlassen will, dann bringt das alles nichts.
00:28:25: Deswegen ist das allererste, was es auch eine Veränderung im Mindset
00:28:30: bei
00:28:30: EntscheidungsträgerInnen in einen Verantwortungsbereichen und das sehe ich tatsächlich noch nicht.
00:28:39: Also hier auch der Ruf nach politischer und gesellschaftlicher Widerstandsfähigkeit, der Aufruf Bedrohungen ernst zu nehmen, bevor sie eskalieren.
00:28:50: Das lässt sich ja eigentlich alles auf Europa übertragen.
00:28:54: Bildung, Transparenz, starke Institutionen und Kooperation zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.
00:29:02: Genau, das Fazit gegen hybride Bedrohung war, die beste Verteidigung ist eine Gesellschaft, die informiert, kritisch und solidarisch bleibt.
00:29:13: Allerdings, das allein bringt keinen Frieden in Freiheit.
00:29:17: Deshalb ging es bei der aus dem politischen Jahrestagung auch um Abrüstung.
00:29:22: Was erstmal überraschen klingt, weil wir besonders in Deutschland und in Europa gerade sehr viel über Aufrüstung sprechen und dafür eine Menge Geld ausgeben.
00:29:32: Aber Abrüstung ist ja einer der Kernpunkte grüner Politik.
00:29:37: So ist es.
00:29:38: Also, wie lässt sich die Abrüstung in unseren Zeiten nicht aus dem Blick verlieren, war die Frage.
00:29:44: Auf dem Podium saß die UN-Untergeneralsekretärin für Abrüstungsfragen Nakamitsu und sie stellte einen neuen UN-Report mit dem Titel The Security We Need For.
00:29:58: Einer der Punkte darin ist, dass mit Abrüstung nicht nur eine Reduzierung der Rüstung gemeint ist.
00:30:07: Das gehört natürlich dazu.
00:30:09: Aber die UN versteht Abrüstung im weiteren Sinne.
00:30:13: Der Abrüstungswerkzeugkasten umfasst Dinge wie Risikoreduktion, Transparenz, vertrauensbildende Maßnahmen, Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung und natürlich die Verringerung von Waffenbestellen.
00:30:26: Das alles sind, wenn man so will, Sicherheitsinstrumente.
00:30:30: Abrüstung ist also kein idealistisches Konzept, das die Realität ignoriert.
00:30:35: Die nationale Gemeinschaft hat diese Instrumente über Jahre entwickelt.
00:30:39: Warum also nicht all das kombinieren, zusammen mit passenden militärischen Verteidigungsmaßnahmen?
00:30:51: Nakamitsu sagte auch, dass dieser Report überhaupt zustande kam, weil die UN-Mitgliedstaaten mit Sorge sehen, wie sehr die Rüstungsausgaben gestiegen sind und immer noch steigen.
00:31:04: Derzeit liegen sie bei zwei Komma sieben Billionen Dollar.
00:31:09: Und wenn die Entwicklung so weitergeht, sind wir in zehn Jahren bei sechs Komma sieben Billionen Dollar.
00:31:15: Denken wir, dass das heutige Bild der Welt einen sauberer, sicherer Ort macht?
00:31:21: Unsere Konklusion war, nein.
00:31:24: Glauben wir, dass das derzeitige Bild die Welt sicherer macht?
00:31:27: Unsere Schlussfolgerung war nein.
00:31:30: Warum?
00:31:31: Weil Investitionen, die mit den Nachhaltigkeitszielen zu tun haben, also Bildung, Gesundheit, Umwelt und Klimaschutz, verdrängt werden.
00:31:38: Und wenn das in Ländern mit niedrigem Einkommen passiert, spürt man die Folgen sofort.
00:31:47: All diese Kürzungen führen zu Destabilisierung von Gesellschaft und Umwelt und bringen so Sicherheit und Frieden wieder in Gefahr.
00:31:57: Deshalb ist es wichtig, dass man bei den Ausgaben für soziales und militär eine bessere Balance findet.
00:32:04: Das war Ihr Fazit.
00:32:05: Sicherheit braucht also mehr als Waffen.
00:32:09: Ja, zum Beispiel, das war auch bereits angeklungen, neue Allianzen.
00:32:13: Nakamitsu betonte, dass in einer neuen Weltordnung beim Thema Abrüstung der sogenannte globale Süden unbedingt mit einbezogen werden müsse.
00:32:23: Das war eine Aussage, die sehr von Murithi Mutiga aus Nairobi Kenia unterstützt wurde.
00:32:29: Er arbeitet beim internationalen Think Tank International Crisis Group und ist dort Programmdirektor für Afrika.
00:32:37: Er sagte, Er habe total Verständnis dafür, dass uns in Europa die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen sehr beschäftigen, da die ja geografisch und moralisch sehr mit Europa in Verbindung stehen.
00:32:51: Aber erhält es auch für einen großen Fehler, dass wir die Krieger auf dem afrikanischen Kontinent so sehr aus den Augen verloren haben, vor allem den Krieg im Sudan.
00:33:07: Wenn man sich die Zahlen anschaut, ist die Lage im Sudan wirklich wirklich besorgniserregend.
00:33:12: Das Land hat rund fünfzig Millionen Einwohner.
00:33:15: Sechzehn Millionen sind im eigenen Land vertrieben, also jeder fünfte.
00:33:19: Vier Millionen sind ins Ausland geflogen, aber in extrem arme Länder wie Chad oder Südsudan.
00:33:25: Und leider wird der Zusammenbruch im Sudan wahrscheinlich noch schlimmere Folgen haben als in Somalia.
00:33:30: Es ist ein Land an einer Schnittstelle zwischen muslimisch und christlich, zwischen Nord und Süd, mit Zugang zum Roten Meer.
00:33:37: Wenn es so weitergeht, könnte das der größte Staatszerfall der modernen Geschichte werden.
00:33:51: Mutiga sagte, wenn Sudan kollabiere, habe das enorme Folgen nicht nur auf dem afrikanischen Kontinent.
00:34:02: Eins ist klar, was woanders passiert, bleibt nicht dort.
00:34:06: Es beeinflusst die Ereignisse auf der ganzen Welt.
00:34:09: Jetzt sehen wir plötzlich strategische Drohnen im Sudan-Konflikt, eindeutig Lektionen aus dem Krieg in der Ukraine.
00:34:16: Und das verändert die Logik von Kriegen.
00:34:19: Technologien werfen ja sogar Kriegslogiken, wandern also weiter.
00:34:25: Genau, er sagte auch, wenn Kriege wohl anders enden, tauchen die Waffen oft auf dem afrikanischen Kontinent wieder
00:34:34: auf.
00:34:38: Nach dem kalten Krieg sind viele sowjetische Waffen und sogar sowjetisches Personal in afrikanische Konflikte gelangt.
00:34:46: Nach dem Krieg im Balkan war es genauso.
00:34:49: Riesige Mengen an Waffen, weder nach Afrika.
00:34:52: Nach dem elften September haben sich die Jihad-Bewegungen stark ausgeweitet.
00:34:56: Heute passieren über ein Drittel der Anschläge in Afrika.
00:34:59: Früher war es nur ein Prozent.
00:35:01: Und nach dem Krieg in Jemen sehen wir, dass einige der Kämpfer jetzt im Sudan aktiv
00:35:06: sind.
00:35:08: Eigentlich erstaunlich muss man sagen, dass der Westen da so konsequent wegschaut.
00:35:13: Ja, dafür warnte Mutiga noch einmal ausdrücklich und formulierte auch eine Forderung.
00:35:24: Europa muss sich selbst viel stärker als politische Akteur sehen.
00:35:28: Denn was im Sudan passiert, bleibt nicht im Sudan.
00:35:31: Das ist Europas unmittelbare Nachbarschaft.
00:35:37: Das hört sich an wie eine Art Ermanung.
00:35:40: Europas Sicherheit und Frieden hängt auch von der Stabilität afrikanischer Länder ab.
00:35:45: So ist es.
00:35:47: Vielen Dank, Bettina.
00:35:48: Ich danke dir.
00:35:49: Das war ein Podcast in der Reihe Böl Podcast zur fünfundzwanzigsten außenpolitischen Jahrestagung der Heinrich-Böll-Stiftung vom neunundzwanzigsten September.
00:36:02: Das Thema war Reclaiming Peace, Freiheit und Sicherheit in einer fragmentierten Welt.
00:36:08: Zu dem Thema gibt es übrigens ein sehr ausführliches Online-Dossier, in dem auch die Videoaufzeichnungen der Konferenz in voller Länge abrufbar sind.
00:36:19: Den Link findet ihr in den Show Notes.
00:36:21: Nächsten Donnerstag geht es an dieser Stelle weiter mit einer Folge zur Energie- und Wärmewende.
00:36:28: Diese Reihe und alle weiteren Podcasts der Heinrich-Böll-Stiftung könnt ihr auf der Podcast-App eurer Wahl abonnieren.
00:36:35: Für Feedback und Anregungen schreibt uns gerne eine Mail an podcast.atböll.de und empfehlt uns natürlich auch gerne weiter.
00:36:45: Mein Gast heute war Bettina Ritter vom Audio-Kollektiv und ich bin euer Hausten Wukasz Tomaszewski.
00:36:53: Der
00:36:54: Podcast
00:37:00: der Heinrich
00:37:01: Bay
00:37:01: Stiftung.
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